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Edgar Rai

Tilla Durieux

Eine Biographie

 

Tilla Durieux (1880–1971) war weit mehr als eine große Schauspielerin des letzten Jahrhunderts. Sie war eine herausragende Zeitzeugin, die nicht nur alle wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Europa miterlebt, sondern auch oft genug beeinflusst hat. Nach Engagements in der Provinz erklomm sie 1903 bei Max Reinhardt in Berlin einen ersten Gipfel ihrer Theaterkarriere. Mit ihrer unpathetischen, realistischen Darstellungskunst und ihrem Ausdrucksvermögen verblüffte sie das Publikum und die Kritiker jener Zeit. Ihr modernes, körperbewusstes Spiel veränderte das Bild der Schauspielerin insgesamt.
Berühmt wurde Durieux auch durch ihre Ehe mit dem einflussreichen Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer. Ihr Haus im Tiergartenviertel in Berlin war Treffpunkt aller prominenten Kunstschaffenden der damaligen Zeit. Ihre ungewöhnliche Schönheit wurde unter anderem in Bildern von Lovis Corinth, Oskar Kokoschka, Max Slevogt und Auguste Renoir festgehalten.
Mit ihrem dritten Ehemann, dem jüdischen Großindustriellen Ludwig Katzenellenbogen, floh sie 1933 erst in die Schweiz und dann weiter nach Kroatien. Nach seiner Verhaftung und Deportation 1941 tauchte Tilla Durieux unter und schloss sich der kroatischen Widerstandsbewegung an. Als Näherin an einem Puppentheater hielt sie sich nach dem Krieg über Wasser.
Mit 73 Jahren drehte sie in Jugoslawien ihren ersten Tonfilm, »Die letzte Brücke« – für viele 1953 das erste Lebenszeichen nach 20 Jahren. Tilla Durieux kehrte wieder nach Berlin zurück. Hier gelang ihr ein viel gefeiertes Comeback und sie stand erneut bis ins hohe Alter auf der Bühne und wirkte in über 30 Filmen mit.
Für ihre Verdienste in und um den deutschen Film wurde ihr 1963 das Filmband in Gold verliehen und sie wurde zur Berliner Staatsschauspielerin ernannt. Für »Verdammt zur Sünde« bekam sie den Bundesfilmpreis, außerdem wurde ihr das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.
Edgar Rai gelingt mit dieser Biografie die einfühlsame Darstellung einer großen Frau, deren Haltung, Moral und menschliche Größe bis heute Bewunderung hervorruft.

 

Presse

"Tilla Durieux ist eine der größten Persönlichkeiten des deutschsprachigen Theaters im 20. Jahrhundert, deren bewegtes Leben zudem einen interessanteren Stoff liefert als viele Star-Biografien, mit denen der Markt überschwemmt wird. Dennoch ist dies nach 2 Autobiografien die 1. regelrechte Biografie der Schauspielerin – im Jahr ihres 125. Geburtstages."

ekz-Informationsdienst.

 

Leseprobe

Tilla Durieux war aufgeregt wie ein Kind. Eine Tür öffnete sich. Herein kam eine Pflegerin, die einen Rollstuhl vor sich herschob, in dem ein alter Mann mit weißem Bart und schief geneigtem Kopf saß. Seine verkrüppelten Hände lagen auf den Knien: Auguste Renoir.
Er musterte sie aus einem großen blauen Auge das andere blieb geschlossen. Und plötzlich war es wieder da, dieses altbekannte Gefühl, die Scham über die eigene Erscheinung, über diese verquere Mischung aus "slawischer Derbheit und französischer Pikanterie", das breite Gesicht, die knollige Nase, der dunkle Teint – ein Äußeres voller Makel. Ob sie das Bewusstsein ihres äußerlichen Defizits wohl je überwinden würde? Immerhin wurzelte es tief in der Kindheit, von der Mutter gepflanzt und reichlich begossen.
Hinter einem Paravent zog sie sich um. Dann ließ Renoir sie auf einem Stuhl Platz nehmen. Immerfort bohrten seine Blicke Löcher in ihre Festung. Lange schon war ihre Unzulänglichkeit ihr nicht mehr derart schmerzlich ins Bewusstsein gedrungen. Das war es doch, oder? Sie war einfach nicht schön genug, eine Zumutung für Renoir. Der von ihr so verehrte Künstler sollte eine Kartoffel malen!
Die Pflegerin kam und schob Renoir die Palette mit den Farben in die linke Hand, die genauso gekrümmt war, dass sie die Palette halten konnte. Den Pinsel band sie ihm an der rechten fest. Anschließend ließ Renoir sie die vorbereitete Leinwand gegen eine größere austauschen. Offenbar sah er doch mehr in Tilla Durieux als eine Kartoffel.
Sie saß Stunden und Tage, während Renoirs Blick zwischen ihr und der Leinwand hin und her wanderte. Irgendwann begann er zu reden. Er erzählte ihr, er möge Weißwurst mit Sauerkraut. So fing es an. Später sprachen sie über Literatur und Musik, und dann, eines Nachmittags, ganz nebenbei, sagte er: "Tragik wird immer falsch verstanden. Solange noch Tränen fließen, ist der Höhepunkt des Schmerzes noch nicht erreicht, erst wenn der Mensch schon wieder lächelt, dann ist der Schmerz unüberwindlich und unendlich geworden." Sie solle sich nur einmal die gotischen Figürchen anschauen. Deren unergründliches Lächeln stehe nur deshalb über den irdischen Kümmernissen, weil darin heiter gewordener höchster Schmerz zum Ausdruck komme. Diese Worte Renoirs hatten eine unglaubliche Wirkung auf Tilla Durieux.

Fadenheftung,

Hardcover mit Schutzumschlag,

16,0 x 22,0 cm,

240 Seiten,

durchgängig illustriert,

ISBN: 3-86601-645-X

Preis: 19,80 €