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Henry Ries
Henry Ries – Ich war ein Berliner
Erinnerungen eines New Yorker Fotojournalisten
Henry Ries wurde als Sohn einer bürgerlichen jüdischen Familie 1917 in Berlin geboren. Wegen des sich schon bald nach Hitlers Machtergreifung an seiner Schule ausbreitenden antisemitischen Klimas beendete er das Gymnasium 1935 vorzeitig mit der mittleren Reife. 1938 sah er für sich in Deutschland keine Chance mehr und emigrierte in die USA.
Der Neuanfang war für ihn hart und entbehrungsreich. 1943 setzte er gegen großen Widerstand seine Rekrutierung als Soldat in der US–Airforce durch und wurde schließlich amerikanischer Staatsbürger. Er erhielt eine fotografische Spezialausbildung für Einsätze in der Luftaufklärung und wurde 1944 mit seiner Einheit nach Indien versetzt. Kurz nach Kriegsende erreichte er seine Versetzung nach London und wenig später in seine Heimatstadt Berlin.
Nach seiner Entlassung aus der US–Armee 1946 wurde Henry Ries Fotojournalist des OMGUS Observer, einer Nachrichten–Illustrierten der amerikanischen Militärregierung. Seine hoch gelobten Fotoreportagen machten ihn sowohl in journalistischen Fachkreisen als auch in einer breiten Öffentlichkeit rasch bekannt. Im gleichen Jahr wechselte er zur New York Times.
In den Folgejahren berichtete er über das Alltagsleben der Deutschen in einem vom Krieg zerstörten Land und gab vor allem dem Schicksal der Displaced Persons – den jüdischen KZ–Überlebenden und den Flüchtlingen aus Osteuropa – ein Gesicht.
Seit 1955 hatte Henry Ries sein eigenes Foto–Studio für Werbefotografie und Design in Manhattan, welches er vierzig Jahre lang und mit großem Erfolg betrieb. Seine mittlerweile weltberühmten Fotografien waren in zahlreichen Ausstellungen weltweit zu sehen. In diesem Buch sind neben seinen persönlichen Erinnerungen in Text und Bild vor allem die fotografischen Highlights zu sehen. Dieser Band ist das derzeit einzig lieferbare Buch von und über Henry Ries.
Presse
26.07.2005 | Die Zeit
"Die Autobiografie, die Henry Ries als letztes von mehreren Büchern veröffentlicht hat, heißt Ich war ein Berliner. Am 24. Mai 2004 starb Henry Ries im Kreis von Freunden und betreut von seiner Frau Wanda in seinem Haus im US–Bundesstaat New York."
Leseprobe
Zwischen Trümmerbergen rechts und links wanderte ich zur Sächsischen Straße / Ecke Pariser Straße, der letzten Wohnung von Omutti und ihrer ältesten Tochter, Tante Hedi, vor ihrem Abtransport nach Theresienstadt am 17. Juli 1942. In den Trümmern der Sächsischen Straße fand ich wie durch ein Wunder ein von mir selbst gemachtes Foto meiner damals zwölfjährigen Schwester. Es hatte den Krieg überlebt.
Es war dunkel geworden. In der ruhelosen Nacht dachte ich an die vielen Toten meiner Familie, und nur das junge Gesicht meiner Schwester konnte das Inferno dieser Schattenwelt für einige Augenblicke wegwischen.
Wenn ich in diesen Wochen und Monaten durch Berlin wanderte, kam es mir so vor, als hätte ich zwei paar Augen. Mit meinen amerikanischen Augen nahm ich die zertrümmerten Straßen und Gebäude wahr. Sobald ich mich aber umdrehte, erblickten meine Berliner Augen nur verstörte Menschen vor und hinter den Kulissen einer germanischen Tragödie. Es waren aber keine Kulissen, sondern die Überreste des "Tausendjährigen Reiches". Ich stellte mir vor, dass ich plötzlich meine große Jugendliebe hier wieder treffen würde. Würde ich sie überhaupt erkennen, so verbraucht, so gealtert oder so verkrüppelt sie jetzt vielleicht aussah? Würde ich ein solches tragisches Geschöpf umarmen oder einfach wegschauen? Würde der Anblick einer so Veränderten nicht auch meine Erinnerungen verändern? Vielleicht weniger äußerlich, aber innerlich war ich ja auch nicht derselbe geblieben.
Fadenheftung, Broschur,
15 x 28,5 cm,
220 Seiten,
mit ca. 200 s/w Abbildungen,
ISBN: 3-936324-21-2
Preis: 19,80 €