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Carlos Polimeni

Pedro Almodóvar und der Kitsch español

 

Almodóvar (geboren 1951), aus einfachen, ländlichen Verhältnissen kommend (der Provinz La Mancha, von der aus schon Don Quichotte auszog, der Welt einen Spiegel vorzuhalten), findet in Madrid den Ort, an dem seine Leidenschaften einen Ausdruck finden. Schwul, cinephil, jung und energiegeladen beginnt er einen subkulturellen Freundeskreis um sich zu scharen und schlägt sich durch als Kurzfilmer, Comicschreiber, Herausgeber von Fotoromanen, Schauspieler, Musiker. Mit seinem ersten Spielfilm »Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón» (Pepi, Luci, Bom und andere Mädchen der Bande) wurde er eine wichtige Figur in der Madrider »movida«. Aus heutiger Sicht begann damit eine neue Ära in der spanischen Filmgeschichte. Mit »Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs« (1988) erlangte er internationale Anerkennung, die von Jahr zu Jahr zunimmt. Heute, nach über 15 Spielfilmen, hat er Kultstatus und Weltrang. Dabei vergisst er aber nicht seine Herkunft. Zahlreiche Erinnerungen aus seiner Kindheit bilden das Reservoir für seine turbulenten, lauten, sensiblen und scharfsinnigen Filmgeschichten. Seine Figuren bewegen sich in einer Welt zwischen Transsexualität, Pop, Geschlechterwirrwar, Film, Feminismus, Sex & Gender, Drogen, Katholizismus, Krankheit, Kunst, Kultur, Prostitution, Punk, Lachen, Literatur, Theater, Toreros und Musik. Die mit Kitsch aufgeladene Alltagswelt des frankistischen Spanien der 50er, 60er und 70er Jahre bilden das Dekor und die Bühne für die Konflikte in seinen Filmen.
Anhand von Äußerungen Almodóvars wird eine Filmografie seiner Werke präsentiert, die bis zu seinem aktuellen – »La Mala Educación« (Schlechte Erziehung: Eröffnungsfilm des Festivals in Cannes 2004) reicht. Parallel wird auf politische und kulturelle Veränderungen in Spanien, in Madrid, der Welt und der Filmbranche eingegangen. Knapp und flüssig wird so eine kleine Einführung zum Verständnis dieses doch immer überraschenden Filmemachers angeboten.

 

Presse

"Ein kritischer Blick hinter die Kulissen eines der bekanntesten europäischen Filmemacher und gleichzeitig eine Hommage an einen Kultregisseur, geschrieben von einem offensichtlich enthusiastischen Cineasten."

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Leseprobe

Der Zusammenstoß seiner Sensibilität und sich entwickelnden Sexualität mit einer orthodoxen Welt wird zum zentralen Thema dieser Jahre. Seine Erfahrungen in den katholischen Internaten der Salesianer und Franziskaner ließen ihn den Gedanken an die Existenz eines Gottes hassen. "Zu dieser Zeit las ich Bonjour tristesse von Françoise Sagan und der Nihilismus flammte mächtig in mir auf" , sagt der erwachsene Almodóvar mit einem Augenzwinkern. Damals gab ihm die Lektüre dieses für seine Zeit stehenden Romans eine weitere Bestätigung, dass er im täglichen Kampf gegen das Establishment nicht allein war, wie er es auch schon fühlte, als er sich mit der Figur der Anna in Antonionis Film identifizierte. "Damals war ich schon ganz gegen religiöse Erziehung. Ich wusste von Anfang an, dass die Priester mir nichts zu sagen hatten. In Die Katze auf dem heißen Blechdach von Richard Brooks, der auf dem Werk von Tennessee Williams basierte, einem Film, der für die Kirche der Inbegriff der Sünde war, erkannte ich mich vollständig wieder und ich sagte mir: Zu dieser Welt der Sünde und der Entartung gehöre ich auch." Wenn ihn jemand mit zwölf Jahren gefragt hätte, wer er war, so hätte er geantwortet: "Ich bin Nihilist." Das hätte er zumindest bei guter Laune gesagt. Traurigkeit überkam ihn dann, wenn er sich in einer Welt gefangen sah, in der es eine Sünde sein sollte, "anders" zu empfinden, "anders" zu denken, "anders" zu begehren. Nicht zu vergessen, dass all dies nach den Gesetzen des Franco–Regimes tatsächlich illegal war. Damals dachte Almodóvar, sein Leben hätte keinen Sinn und er fühlte sich,– so sollte er später sagen –, wie ein Astronaut an König Artus´ Hof.
Dem Versandhaus sei Dank (Corte Inglés)
In seinem Dorf gab es keine Buchhandlung, aber sehr bald entdeckte er, dass in den Versand–Katalogen des Corte Inglés, über den seine Schwestern sich Sachen aus Madrid kommen ließen, auch Bücher angeboten wurden. Manchmal hätte er liebend gerne Kleider, Schuhe oder Einrichtungsgegenstände bestellt, doch er traute sich nie. Das Blättern in den Katalogen war seine erste Annäherung an die Welt des Pop. Er ließ sich die Bücher also schicken und las mit Wonne Sinuhe der Ägypter von Mika Waltari, Des Teufels Advokat von Morris West, Der Steppenwolf von Hermann Hesse oder Old Mortality von Walter Scott, neben vielen anderen wahllos durcheinander.
Almodóvars Lesegewohnheiten und seine Obsession für Filme bestärkten sein Gefühl, in einer Parallelwelt zu seiner Umgebung zu leben, weshalb er für diese auch zu einem hoffnungslos komischen Kauz wurde. "Ich erinnere mich, dass ich meinen Mitschülern von Die Jungfrauenquelle von Ingmar Bergman erzählte, einem Film, der mich stark beeindruckt hatte. Meine Klassenkameraden schauten mich erschrocken und zugleich fasziniert an, als würde ich etwas Ungeheuerliches erzählen. In der Schule hatte ich diesbezüglich keine Gleichgesinnten, was mich interessierte, musste ich alleine tun." Für seine Familie war er ein Problem. Die Erwachsenen waren bestürzt über die Entwicklung der Persönlichkeit dieses Jungen, der einigen Dingen gegenüber sehr aufgeschlossen war, andere aber ablehnte, und der von sich als Künstler träumte in einer Welt von Fuhrleuten. "Ich erinnere mich, dass mich sowohl meine Mutter als auch mein Vater mehrmals ansahen, die Hände in die Seiten gestemmt, als würden sie einen Außerirdischen vor sich haben, und dann sagten: "Nach wem ist denn dieses Kind geraten?"

Fadenheftung, Klappenbroschur,

14,0 x 20,0 cm,

140 Seiten,

mit 20 farbigen Abbildungen

ISBN: 3-86601-625-5

Preis: 14,80 €